Sachsen: der falsche Gast.

Andreas Berger
7 min readSep 20, 2018

Der Grund, warum wir für gute Inhalte bezahlen müssen, zeigt der Artikel unter folgendem Link https://www.zeit.de/kultur/2018-09/sachsen-journalistin-fremdenfeindlichkeit-chemnitz-erfahrungen (bitte lesen, bevor man meine Erwiderung hier liest) und leider sind Medien eine Einbahnstraße!!! Einmal auf zeit.de gepostet, kann jeder noch so gute Kommentar und jede noch so gute Meinung mangels entsprechendem Zugang zu Publikum den Schaden nicht mehr beheben, den solche Artikel anrichten:

Eine spontante Reaktion:

Kaum einem Artikel gelingt es so gut, die darin beschriebene Kritik selbst so konsequent zu verwirklichen, wie der Artikel der anonymen Julia Freud in der Zeit vom 16.09.2018 (https://www.zeit.de/kultur/2018-09/sachsen-journalistin-fremdenfeindlichkeit-chemnitz-erfahrungen). Was die Sachsen oder die Amerikaner mit Lügenpresse meinen, sind genau diese Artikel. Oberflächliche Beschreibungen der subjektiven Wahrnehmungen ohne tiefgründige Auseinandersetzung mit der Geschichte, der Psychologie, den Fakten oder den sonstigen Hintergründen der Aktionen und Reaktionen in Sachsen. Alles Gründe, warum ich eigentlich Die Zeit kaufe. Doch wer denkt Chemnitz ist eine Überraschung, der ignoriert, was schon seit der Wende und vielleicht schon sogar seit dem Zerfall des dritten Reichs wahr ist. Und Frau Freud legt gleich von Beginn an offen, dass Sie das nicht versteht und auch, dass Sie kein Freu(n)d der Sachsen ist, was auch ihr Abschlussatz nicht mehr gerade rückt. Sonst hätte sie auch darüber berichtet mit welchem Dienstfleiß der Bürgermeister in Köthen früh morgens aufs Fahrrad stieg, um ein weiteres Chemnitz zu verhindern. Wer denkt, er ist seinen Pflichten ordnungsgemäßer Berichterstattung nachgekommen, indem er zwölf Frauen und Männer fragt, ob Sie mit ihr/ihm sprechen wollen, der ist höchstens ignorant oder will absichtlich einen falschen Akzent setzen. Ich musste mir nach zehn Jahren in Bayern noch blöde Sprüche zu meinem Akzent anhören, und dass ganz ohne als Journalist berichten zu wollen. Und wer dann noch denkt, er kann mit dem Rucksack nach Sachsen fahren und eintauchen, in das Bundesland über das heute alle sprechen, der ist naiv oder zu jung und unerfahren, um zu wissen, dass das so nicht funktioniert. Schon gar nicht als Journalistin.

Woher ich das weiß? Ich bin dort aufgewachsen, in diesem Sachsen, zwischen diesen Menschen, bei diesen Chemnitzern. Die biertrinkenden und grölenden Nazi’s waren meine Schulfreunde. Sie waren da. Sie gehörten dazu, ob man wollte oder nicht. Und trotzdem verstehe ich kaum, was da vor sich geht. Doch wer auch nur annähernd eine Chance haben will zu begreifen, was dort passiert um es dann journalistisch aufarbeiten zu können, der muss von dort kommen. Denn nur dann ist eine faire Auseinandersetzung mit dem Thema möglich. Denn zunächst einmal handelt es sich bei dem Problem nicht um ein lokales, sondern um ein globales Problem. Das sehen wir mit Trump in den USA, der mit der Ankündigung eine Mauer zu bauen und schärfer Abzuschieben ins Weiße Haus eingezogen ist. Wir sehen es auf den Philippinen, wo Rodrigo Duterte brutal gegen Kriminelle vorgeht und von seinen Anhängern gefeiert wird, während auch der ein oder andere westliche Anführer neidisch auf diese Möglichkeiten schaut. Aber wir sehen es auch an den Wahlergebnissen in Österreich, Ungarn, der Türkei, ja sogar zuletzt in Schweden und dem aufstreben der AfD in Deutschland. Mit einer immer kleiner wertenden Welt, immer weniger Reisebeschränkungen und immer mehr Menschen, die genug Geld haben diese Reisen antreten zu können, entstehen zwangsläufig auch Probleme. Nicht nur in Sachsen, nein auch in Essen, Dortmund, Berlin und München. Zunächst einmal ganz unabhängig von der Flüchtlingskrise.

Darüber hinaus ist es aber auch ein Problem der Wahrnehmung. Denn während die Nazi’s in Sachsen Bomberjacke tragen und Landser singen und damit einfacher vor die Kamera zu bekommen sind, tragen die Nazi’s in Regensburg einen Anzug und haben Mein Kampf und die dreibändige Reihe über Goebbels in ihrer reich bestückten Bibliothek. Das weiß ich deshalb, weil ich Sie beide getroffen habe. Die rechten Anwälte der CSU die ihre SMS in der Regel mit einem freundlichen „Sieg Heil“ beendet hatten (da gab es bestimmt auch einen guten Artikel der Zeit.de https://www.focus.de/politik/deutschland/volksverhetzung_aid_55945.html), genauso wie die rechten Wähler der sächsischen NPD, die das von Frau Freud beschriebene Tattoo auf der Brust haben. Ja, neben mir im Freibad lagen junge Leute mit einem Hakenkreuz auf der Brust oder einem Adolf Hitler auf der Schulter. In Sachsen. Aber genau da liegt ein weiteres Problem, dass die Sachsen der jungen Frau Freud mehr oder weniger ins Gesicht schreien. „Das geteilte Verhältnis“ zur Presse kann man nämlich nur dann verstehen, wenn man weiß wie offen einige Wenige ihre Gesinnung in Sachsen zur Schau tragen und wenn man die Geschichten kennt, die sich die Sachsen erzählen, schon seit vielen Jahren.

Man muss wissen, dass die Spiegel-Reporter damals nach der Wende einer Hand voll Nazi’s ein paar 20 Mark-Scheine für ein Foto in die Hand drückten, um „das Problem“ in Sachsen bildlich darstellen zu können. Man muss aber auch wissen, dass es später 20 Euro waren, die zu gleichem Zweck in den 2000ndern bei einer Berichterstattung über einen Marsch in Meerane wieder dank der Spiegel-Reporter den Besitzer wechselten. Ob dann auch im Rahmen der Flüchtlingskrise für jeden Stein bezahlt wurde, kann ich nicht wissen, aber auch ich schämte mich für meine Heimatstadt, als ich die Bilder durch die Presse gehen sah. Doch das sind trotzdem Minterheiten. Die Sachsen waren nur schon immer gute Schlagzeilenmacher, wenn es um den guten alten Nationalsozialismus ging. Leider! Dass die Sachsen aber auch ein Bundesland mit Geschichte sind, was erst die Schweizer Weltwoche mangels Erwähnung in deutschen Medien aufgreifen muss, dass wird gern vergessen (https://www.weltwoche.ch/ausgaben/2018-36/artikel/sachsen-die-weltwoche-ausgabe-36-2018.html). „Chemnitz ist eine Stadt der Ingenieure, der Innovatoren und Chemiker, das einstige Industriezentrum des Landes, nicht die schönste, aber eine der tüchtigsten und erfindungsreichsten Städte Deutschlands. Hier begann die Industrialisierung bereits 1815.“ Aber das interessiert ja auch keinen mehr, außer vielleicht die Sachsen und zum Glück scheinbar auch die Schweizer.

Doch damit sind wir leider noch nicht am Ende. Denn es ist auch ein lokales Problem. Meine „Nazi-Freunde“ mussten schon 1998 keinen Eintritt im Freibad bezahlen, weil der Bademeister Angst hatte durchzugreifen. Und während man die Polizei dafür gar nicht anrufen brauchte, kam diese auch um drei Uhr am Morgen nach einem Anruf beim Notruf mal nicht, wenn man erwähnte, dass die Körperverletzung von Nazi’s begangen wurde die sogar noch vor Ort sind. Nicht nur auf einer von uns organisierten Schulfeier tauchten Sie auf, diese Nazi’s. Mit Schusswaffe und Fahne. Was soll man da schon machen. Mit 17. Und dann gab es noch die Alten, die die den zweiten Weltkrieg, aber die Wende nicht überlebt haben. Für sie war das dritte Reich das letzte funktionierende System und das haben Sie ihren Enkeln auch gern erzählt. Nicht weil Sie die Gräueltaten der Hitler-Deutschen nicht wahrhaben wollten, sondern weil Sie bis 1945 an der Ostfront mit sich selbst zu tun hatten und nach dem Krieg froh waren, dass das Thema — jedenfalls für sie — erledigt war.

Das, und auch alles andere muss man verstehen, wenn man vom „kapitalistischen Ausland“ mit dem Rucksack ins schöne Sachsen fährt und versucht, die Lage zu schildern. Das muss man auch verstehen wollen, wenn nicht vergessen werden soll, was die Sachsen für Opfer gebracht haben, um heute auch nur annähernd mit dem Westen mithalten zu können. So waren es die Sachsen, die mit ihren Montagsdemonstrationen in Leipzig einen großen Anteil am Zerfall des Ostblocks hatten und ein Blutbad verhindert haben. Auch waren es die Sachsen, die gleich nach der Wende mit Fleiß und Willensbereitschaft von Bayern gelernt und dann konsequent umgesetzt haben. In 12 Schuljahren den Stoff von 13. So ambitioniert war man damals, nur um aufholen zu können. Und mit Dresden hatte Sachsen die erste schuldenfreie Stadt in Deutschland, nicht jedoch, ohne dafür mit dem Auskauf einen hohen Preis zu bezahlen. Doch auch dafür waren die Sachsen bereit. Die Sachsen waren stets Willens, für ihre Recht und gegen Unrecht zu kämpfen. Und dass das heute passiert, zeigt nur wie tiefgreifend die Probleme in unserer Gesellschaft verwurzelt sind, die Deutschland diskutiert.

Die Flüchtlingskrise gibt dafür nur den Anlass. Doch ist die Ursache für die Aktionen und Reaktionen die Frau Freud nicht versteht und über das Deutschland spricht? Ist es nicht die Tatsache, dass in Berlin ausländische Banden die Stadt regieren und die Polizei öffentlich kapituliert hat? Ist es nicht die Tatsache, dass bei Polizei und Bundesgrenzschutz seit Jahren gespart wird, ohne sich den Problemen zu stellen, die mit Schengen und der EU-Erweiterung kommen während Milliarden nach Griechenland flossen — jedenfalls aus der Wahrnehmung der Deutschen. Ist es nicht auch die Tatsache, dass man ungezählt Flüchtlinge aufgenommen hat, ohne Ihnen die Grundregeln unserer Gesellschaft zu erläutern, aber auch ohne Fingerabdrücke und DNA abzunehmen? Die fehlende konsequente Vorgehensweise gegen kriminelle im Allgemeinen — unabhängig von der Herkunft — stört die Menschen in Deutschland schon lange. Das zeigen die Aufkleber mit der Aufschrift „Todesstrafe für Kinderschänder“ auf den Auto’s in Ost und West schon seit Jahren. Aber es wird besonders dann deutlich, wenn erzählt wird das Flüchtlinge ohne Konsequenz mit ihrem Diebesgut aus dem Laden herauslaufen können, weil man „da ja nix machen könne“. Das machte dem Richter „Gnadenlos“ Schill schon 2001 zum zweiten Bürgermeister und Innensenator der wunderschönen Hansestadt Hamburg. Und da haben nicht die Sachsen gewählt. Doch nun werden sie laut, diese Sachsen. Die AfD aus Protest zu wählen hat ja nix gebracht. Berlin macht weiter wie bisher und niemand in Berlin will sich der Kritik stellen und die Gesetze so ändern, dass alle Willkommen sind, aber wieder gehen muss, wer sich nicht an die Spielregeln hält. Es geht in Wahrheit gar nicht um eine Obergrenze für Flüchtlinge. Es geht in Wahrheit darum, dass die Grenze des Zulässigen hinsichtlich der Kriminellen, die sich nicht an unsere Regeln halten und in Silvesternächten in Köln Frauen belästigen, hier nix zu suchen haben. Nicht in Köln, nicht in Berlin und auch nicht in New York und San Francisco. Und wer das nicht verstehen will, der wird sich noch wundern, wenn dann nicht nur die Sachsen, sondern auch der Rest des Landes für eine Lösung nach rechts schaut. Dass Frau Freud sich hinter einem Pseudonym verstecken muss, zeigt nur, dass es schon 5 vor 12 ist. In Deutschland. Einem der schönsten, sichersten und reichsten Länder der westlichen Welt.

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Andreas Berger

Advisor, Consultant, Inventor, Philosopher, Author and Business Leader/Owner.